Journalisten blicken hinter die Kulissen von Europas größtem Krimifestival
Das Fachwerkhaus, in einer Seitengasse von Unna gelegen, lässt kaum vermuten, dass hier das Büro von Europas größtem Krimifestival beheimatet ist. Doch das altehrwürdige Nicolaihaus neben der gleichnamigen Kirche im Zentrum der Kreisstadt bietet für die beiden Organisatoren Sigrun Krauß und Dr. Herbert Knorr genau das passende Ambiente, um die international renommierte Veranstaltungsreihe „Mord am Hellweg“ auf die Beine zu stellen. Für rund 20 Journalisten des Pressevereins Ruhr nahmen sich die beiden Krimi-Spezialisten Zeit, um ihnen einen Blick hinter die Kulissen zu bieten. Der Ausdruck Kulisse hat denn auch seine Berechtigung, denn zu dem Festival gehören inzwischen rund 220 Literaturveranstaltungen, die längst zu Inszenierungen geworden sind, wie Sigrun Krauß berichtete. Die Locations selbst sind vollkommen unterschiedlich, mal lesen Autoren in einer Gefängniszelle aus ihren Büchern, mal wird eine alte Fabrikhalle leer geräumt, auch fand bereits in einer Schwimmhalle eine Lesung statt. Selbst unter Tage gab es Gelegenheit, den Worten eines Krimiautors zu lauschen. Der Ort, der die wohl heftigste Kontroverse ausgelöst hat, war zweifellos ein Sex-Club in Unna, doch ließen sich die Wogen wieder glätten, als ein Kulturpolitiker deutlich das Wort ergriff.
Mit dem „Mord am Hellweg“ begann es vor 15 Jahren, noch zu einer Zeit, als das Genre Krimi keineswegs so gut situiert war wie heute. Nicht nur die Literaturgattung hat einen enormen Wandel erlebt, sondern auch das Festival selbst. Die Zahl der Veranstaltungen hat sich vervierfacht, darüber hinaus sind die Besucherzahlen auf zuletzt 28.100 geklettert. Die Zahl der Mitwirkenden lag 2016 bei über 600. Die Bedeutung des Krimifestivals lässt sich aber nicht nur an diesen eher statistischen Werten festmachen, sondern vor allem auch an den Namen, die sich im Programm wiederfinden. Jussi Adler-Olsen, Andreas Eschbach, Nicco French, Joy Fielding, Tess Gerritsen oder Jo Nesbø, um nur einige Beispiele zu nennen, sind allesamt Bestseller-Autoren und sie alle haben bei „Mord am Hellweg“ mitgewirkt.
Durch das Festival sei es gelungen, den Bekanntheitsgrad der Hellweg-Region zu steigern, betonte Herbert Knorr. Zugleich arbeite man daran, das Image des Ruhrgebiets, von dem viele Menschen noch immer denken, es sei von Kohle und Stahl geprägt, zu verändern. Gern nutze er die Gelegenheit, den Autoren bei ihren Besuchen, Sehenswürdigkeiten, Landmarken und Landschaften zu zeigen. Für die Autoren, die an den Krimi-Sammelbänden von „Mord am Hellweg“ mitwirken, besteht ohnehin die Pflicht, sich einige Tage in der Stadt aufzuhalten, in der ihr neuer Kurzkrimi spielt. Denn ohne Ortskenntnisse können sie nun mal nicht authentisch schreiben, erläuterte Knorr. Bislang sind acht Anthologien erschienen die auch gute Verkaufszahlen aufweisen, wie Knorr berichtete. Da gibt es dann Storys mit Titeln zu lesen, wie der Leichenfischer von Rünthe, die Bestie von Oelde, der Schlachter von Wickede oder Dortmunder Leichenglück.
Auf starke Resonanz stößt zudem der Krimiliteraturpreis Ripper Award. An der Abstimmung, wer den Preis erhalten soll, nahmen 2016 rund 10.000 Leser teil. Sie votierten (per Karte oder online) im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit für Sebastian Pitzek, der in der Unnaer Erich-Göpfert-Halle den mit 11.111 Euro dotierten Preis entgegennahm.
Am 6. Mai erhalten Sigrun Krauß und Herbert Knorr selbst eine Auszeichnung. Das Syndíkat, eine Autorengruppe der deutschsprachigen Kriminalliteratur, ehrt die Festivalleitung von „Mord am Hellweg“ mit dem Ehrenglauser 2017 für die Verdienste um den deutschsprachigen Kriminalroman.
Für die Zukunft sehen Krauß und Knorr das Festival gut gewappnet. Die Förderung durch das Land sei inzwischen ein festgeschriebener Posten. Mit dem WDR und der Tageszeitung „Die Welt“ habe man zwei veritable Medienpartner. Allerdings zeige sich, dass die sozialen Medien immer wichtiger werden, schließlich erreiche man auf diese Weise das Publikum schnell und in großer Zahl, meinte Knorr. Die Zeiten der großen Pressekonferenzen mit 30 Medienvertretern gehören nach seinen Worten auch längst der Vergangenheit an, der Umbruch in der Medienlandschaft zeigt Wirkung. Inzwischen werden die Informationen an die zuständigen Stellen gemailt – oder gleich Netz gestellt.
(Text: Theo Körner, Fotos: Anja Cord)
http://www.mordamhellweg.de/